Paris à 50° C
- marczitzmann
- vor 2 Tagen
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Wie Frankreichs Hauptstadt mit Hitzewellen umgeht
Paris, am 25. Juni. Nach zehn Tagen mit Temperaturen bis zu 44,7 Grad Celsius schnellt das Thermometer auf deren 50 hoch. Schulkinder und Senioren werden in stillgelegte Bahntunnel beziehungsweise in die Untergeschosse von Altersheimen geleitet; der Verteilungsnetzbetreiber setzt wegen Stromausfällen mobile Generatoren ein. Die Stadtverwaltung öffnet alle Parks und Schwimmbäder die ganze Nacht hindurch, Sanitäts- und Notdienste sind in Alarmbereitschaft, eine Fernsehsprecherin warnt vor einer „kritischen Situation“.

Den 25. Juni hat es (noch) nicht gegeben. Zwar war es in Frankreichs Kapitale nach einer ersten Hitzewelle vor zwei Monaten jüngst wieder so heiß, dass viele Bäume das Laub zu verlieren begonnen haben. Der Wärmerekord liegt bisher aber bei „bloß“ 42,6 Grad, im Jahr 2019. Das oben geschilderte Szenario war eine Simulation für das Jahr 2032. Es wurde im Herbst 2023 im Rahmen einer Großübung der Stadt präsentiert, an der Dutzende von Einwohnern teilnahmen. Paris nimmt die Gefahr einer „canicule exceptionnelle“ ernst, einer noch nie dagewesenen Hitzewelle. Aus gutem Grund: In einer Untersuchung von 2023 hielt die medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ fest, von 854 unter die Lupe genommenen europäischen Städten sei es Frankreichs Kapitale, wo die Bewohner die größte Gefahr laufen, infolge von Hitze zu sterben. Dies wegen der mit keiner westlichen Großstadt vergleichbaren Bevölkerungsdichte und dem schreienden Mangel an Grünflächen. Diese Faktoren führen dazu, dass bei Hitzewellen die Temperaturen in hauptstädtischen Wärmeinseln um bis zu zehn (!) Grad über jenen ländlicher Teile der umgebenden Île-de-France liegen. Bis 2085 soll die Zahl der Hundstage mit Temperaturen über 30 Grad um 60 Prozent zunehmen, jene der „tropischen Nächte“ über 20 Grad gar um 600 Prozent.

Doch wird Paris seit 2001 durch Linkskoalitionen mit Beteiligung der Grünen regiert, die früh schon Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung ergriffen haben – der erste Pariser „plan climat“ reicht ins Jahr 2007 zurück. Das 105 Quadratkilometer kleine Stadtterritorium wird mit Hochdruck begrünt, der Boden, namentlich von Schulhöfen, in großem Umfang entsiegelt, der Autoverkehr massiv reduziert, das (weltweit konkurrenzlose) öffentliche Verkehrsnetz stetig ausgebaut, der Bestand an Sozialwohnungen jährlich in Schüben von 5000 Unterkünften wärmedämmend renoviert. Mit Erfolg? Eine Kommission der Pariser Stadtrats mit dem sprechenden Namen „Paris à 50° C“ befand 2023, es gebe keine Zauberformel – man müsse einfach sehr vieles ausprobieren, von baumbestandenen Plätzchen mit mediterraner Anmutung bis zur Verallgemeinerung der Versorgung mit Fernkälte, wie heute schon im Louvre.

Spezifisch für „canicule“-Zeiten sind vorgesehen: 1300 Wasserstellen und Springbrunnen, gut 130 schattenspendende Kioske, Pergolen und Sonnensegel sowie weit über hundert Vernebelungsanlagen, die dieser Tage allesamt regen Zuspruch finden. Dazu die Verteilung von 10 000 Trinkflaschen an Obdachlose und klimatisierte Aufenthaltsräume in den Rathäusern von fünfzehn Arrondissements, in Museen und in Tagesstrukturen.


Doch die kleine Sensation dieses Sommers war die Eröffnung von drei kostenlosen Seine-Bädern mit Pontonbrücken und Poolleitern, Umkleidekabinen und Duschen. Erstmals seit 1923 ist das Schwimmen im Fluss wieder erlaubt – wiewohl unter strengen Auflagen. So muss jede und jeder einer Bademeisterin oder einem Bademeister kurz vorschwimmen und sich eine gelbe Leih-Boje anhängen. Ein Teilnehmer, am Sonntag am Seebad gegenüber der Île-Saint-Louis zu seiner Planschtour im 24 Grad lauen Nass befragt, bringt den Hauptanreiz auf den Punkt: „Es tut einfach gut bei der Hitze!“.
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