Angoulême vor dem Aus
- marczitzmann
- 19. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Autoren und Verlage sagen für die nächste Ausgabe des Comicfestivals ab
Das Festival international de la bande dessinée in Angoulême (FIBD), bislang die wichtigste europäische Comic-Veranstaltung, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im kommenden Jahr nicht stattfinden können. Einem von zahlreichen Comicautoren schon länger angekündigten Boykott (hier ein Blogbeitrag zum Thema) des für Ende Januar angesetzten viertägigen Festivals haben sich gestern und heute Morgen die Verbände der kleinen und der großen Verlagshäuser angeschlossen. Ohne Autoren und Verleger wird das FIBD schwerlich stattfinden können, auch wenn die offizielle Annullierung noch aussteht. Für das südwestfranzösische Angoulême und seine etwa 40 000 Einwohner wäre das ein massiver Einnahmeverlust: Das Festival ist die bei Weitem öffentlichkeitswirksamste und besucherstärkste Veranstaltung, die in der alten Bischofs- und Fürstenstadt stattfindet.

Der Zorn der Autoren richtete sich zunächst gegen das mit der Organisation des FIBD betraute Unternehmen 9e Art+, dem sie in einer Stellungnahme am Dienstag abermals „sexuelle Gewalt, autarkes Management, grundsätzliche Missachtung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (einschließlich der Freiwilligen), kommerzielle Ausbeutung, Ableismus (eine gesteigerte Form von Behindertenfeindlichkeit) und so weiter“ vorwarfen. Ferner geriet auch die historische Trägerstruktur des 1974 gegründeten Festivals ins Kreuzfeuer der Kritik, haben die Verantwortlichen doch, taub für alle seit Längerem formulierten Einwände, die Verlängerung des Vertrags von 9e Art+ mit Gewalt durchsetzen wollen. Doch jetzt scheint auch die Veranstaltung als solche zunehmend hinterfragt zu werden. Brauche es eine solche „Riesenmaschine, die die Leute zermahlt und niemanden mehr befriedigt“, fragte ein Verleger in der Tageszeitung „Libération“, die traditionell besonders ausführlich über das FIBD berichtet. Ein Berufskollege legte nach: Das Festival sei zu groß, zu schwer, zu teuer geworden – diene es überhaupt noch den Autoren, den Verlegern, der Neunten Kunst?
In einer Zeit, in der Frankreichs Comic-Buchmarkt eine Krise erlebt und die Kulturministerin vor allem ihre eklatante Unfähigkeit unter Beweis stellt, wie abermals am Dienstag bei einer Befragung im Parlament zu den Wirren um das FIBD, bei der Rachida Dati (hier und hier kritische Blogbeiträge zu ihrer Person) so ziemlich alles durcheinanderbrachte, nehmen die Autoren und vor allem die in erster Linie auftretenden Autorinnen ihr Schicksal in die eigene Hand.



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