top of page

Präsidenten im Königspalast

Aktualisiert: vor 4 Tagen

Versailles als Ort des Republikanismus – eine kleine Chronik

 


Unser Führer heißt Fabrice Callet. Die Verachtung für die tumben Touristen, die kaugummikauend und kaffeeschlürfend durch den Spiegelsaal watschen, stiebt ihm aus den Nasenlöchern. Die Verehrung für das Kronjuwel der französischen Bau- und Dekorationskunst, in dessen Geheimnisse er Grüppchen wie das unsere mit Witz und Wissen einweiht, leuchtet ihm aus den Augen. Ehre sei den conférenciers des Palasts von Versailles! Sie führen Interessierte weg von der Trampelstrecke, weg von den offiziellen Gemächern des Königs und der Königin mitsamt verbindender galerie des glaces hin zu Räumlichkeiten, denen, heute wie gestern, ein privaterer, intimerer Charakter eignet – die Appartements der Favoritinnen Madame de Pompadour und Madame du Barry etwa oder das Porzellanpuppentheater, in dem Marie-Antoinette mit Vertrauten Komödien aufführte. Und das unter denkbar schwierigen Bedingungen: Die kleine Herde durch Besucherströme leitend, in denen immer wieder ein Schäfchen irrezugehen droht; hier und da eine Rast einlegend, um – die eigene Stimme kaum hörend – Geistesnahrung in die Runde zu streuen; immer wieder den schweren Schlüsselbund zückend, um eine verschlossene Tür zu öffnen, über deren Schwelle es das Grüppchen zu schleusen, von der es jedoch einen Amerikaner, zwei Chinesen und fünf Inder wie hungrige Wölfe abzuhalten gilt.


Dass der Palast des Sonnenkönigs noch immer gut ist für Überraschungen, zeigt dabei das Thema der Führung: „Versailles und die Republik“. Der Kunsthistoriker und Konservator Christophe Leribault, nach glanzvollen Pariser Jahren an der Spitze des Petit Palais und des Musée d‘Orsay seit 2024 Präsident des Établissement public du château, du musée et du domaine national de Versailles – wie die öffentlich-rechtliche Anstalt aus Palast, Museum und Park mit vollem Namen heißt – beleuchtet heuer diese unerwartete Thematik aus Anlass des, pardon: eines Jubiläums der Französischen Republik. Denn der Ort, der wie kein anderer die absolute Monarchie verkörpert, hat mannigfache Beziehungen zu der Staatsform, die das Volk seine Regierenden und Gesetzgeber wählen lässt.


Den republikanischen Stein ins Rollen brachte so nicht der Sturm des hauptstädtischen Bastille-Gefängnisses am 14. Juli 1789, sondern die Einberufung der Generalstände durch Louis XVI. Die entsprechende Sitzung wurde am 5. Mai desselben Jahres eröffnet – in Versailles. Als der König angesichts von Fraternisierungen über die Standesgrenzen hinweg die Salle des Menus-Plaisirs schließen ließ, wo die Abgeordneten tagten, wichen jene des Dritten Standes sowie eine Handvoll Geistliche und Adlige in einen benachbarten Ballsportsaal aus. Dort leisteten sie am 20. Juni. 1789, dreieinhalb Wochen vor dem Sturm der Bastille, den sogenannten Serment du Jeu de paume, den Ballhausschwur. Sie gelobten, nicht eher auseinanderzugehen, als bis Frankreich sich eine Verfassung gegeben hatte. Dies läutete nicht nur mittelfristig das Ende des Absolutismus' ein, sondern langfristig auch jenes des Königtums im Lande.


Der Saal ist seit 1793 Staatsbesitz, seit 1883 ein Museum. Ein paar Steinwürfe vom Palast entfernt, lässt er sich frei besichtigen. Ein kurioses Erlebnis: Die Architektur einer barocken Badmintonhalle (das jeu de paume war eine Art Tennisspiel), im Innern Kunstwerke, auf welche lethargische Wächter ein halbgeschlossenes Auge werfen. Ringsum ein Fries mit den Namen der über fünfhundert Unterzeichner des Schwurs; entlang der einen Längsseite Marmorbüsten der seinerzeit bekanntesten von ihnen. Heute kennt man nur noch wenige dieser Deputierten: Bailly, Mirabeau und Sieyès etwa, oder – aus anderen Gründen – Guillotin. An der einen Querseite eine Vergrößerung von Jacques-Louis Davids berühmter Vorzeichnung für das geplante Monumentalgemälde „Le Serment du Jeu de paume“. Als sich der Künstler nach langen Bemühungen um die Finanzierung des Mammutprojekts endlich ans Malen machen wollte, waren viele der Eidleistenden von 1789 bereits als Volksfeinde verfemt. Das Tableau blieb unvollendet.


Der Saal des Ballhausschwurs, im Hintergrund eine Vergrößerung von Davids Zeichnung (Bild: Wikipedia)
Der Saal des Ballhausschwurs, im Hintergrund eine Vergrößerung von Davids Zeichnung (Bild: Wikipedia)
Modell der Salle du Jeu de paume, vorn ein Schläger des entsprechenden Ballspiels, im Hintergrund Marmorbüsten sowie das Wandfries mit den Namen der Eidleistenden (Bild: zit.)
Modell der Salle du Jeu de paume, vorn ein Schläger des entsprechenden Ballspiels, im Hintergrund Marmorbüsten sowie das Wandfries mit den Namen der Eidleistenden (Bild: zit.)

Im Oktober 1789 wurde die Königsfamilie durch einen Mob nach Paris „heimgeführt“. Keiner der nachfolgenden Herrscher würde sich wirklich in Versailles niederlassen; erst unter Napoléon III diente das Anwesen wieder für Empfänge. Zehn Tage nach dem Sturz des Kaisers im September 1870 besetzten dann preußische Truppen die Stadt. König Wilhelm I. logierte nicht im Palast, sondern in der kurz zuvor eingeweihten Präfektur. Den Bau an der Avenue de Paris gibt es noch: ein stattliches hôtel particulier zwischen Hof und Garten, ein wenig massiv und grobschlächtig, wie oft, wenn das neunzehnte Jahrhundert das achtzehnte kopiert.


Die Präfektur von Versailles (Bild: Wikipedia)
Die Präfektur von Versailles (Bild: Wikipedia)

Doch es war im Palast, dass am 18. Januar 1871 das Zweite Deutsche Kaiserreich proklamiert wurde – symbolträchtig im Spiegelsaal, unter Deckengemälden von Charles Le Brun, die namentlich die Siege des Sonnenkönigs über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation feiern. Louis XIV dürfte in jenen Tagen in seinem Grab rotiert haben, mutmaßt Fabrice Callet, unser conférencier – „die Preußen weihten die Schlosskapelle für den protestantischen Kult um, wo der Monarch doch dieses architektonische Meisterwerk als ein Manifest der Gegenreform, des Kampfes gegen die luthersche ‚Häresie‘ hatte errichten lassen“. (Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles am selben Ort im Jahr 1919 wollte dann nicht nur als ein Verweis auf 1871 verstanden sein, sondern auch auf 1783, als die Verträge von Versailles die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten besiegelten, einem der späteren Hauptsieger über das Zweite Reich und dessen Bündnispartner.)


Anton von Werner: Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871), 1883 (Bild: Wikipedia)
Anton von Werner: Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871), 1883 (Bild: Wikipedia)

Mit der Kapitulation kehrte indes kein Frieden ein. Die Hauptstadt, die vier Wintermonate lang Belagerung und Bombardements getrotzt hatte, wollte den Kampf fortführen. Paris widersetzte sich der provisorischen Regierung, die nach – durch die Preußen geforderten – Wahlen für eine Nationalversammlung im Februar 1871 eingesetzt worden war. Es kam zu jener extraordinären, zugleich utopischen und chaotischen zweimonatigen Episode, die als „Pariser Kommune“ in die Geschichte eingegangen ist. Das Ende war vorgezeichnet: Ende Mai rückten Regierungstruppen von Versailles aus gen Paris und machten im Lauf der sogenannten Blutwoche jeden Widerstand nieder. Es gab über fünftausend, womöglich gar zwanzigtausend Todesopfer. „Les Versaillais“ ist bis heute in linksrepublikanischen Kreisen ein klar konnotierter Ausdruck: Er geißelt die enthemmte, gewissenlose Reaktion.


Während der Kommune waren Regierung und Parlament nach Versailles ausgewichen. Die vormalige Königliche Oper – das große Haus im Nordflügel des Palasts, nicht das Spielzeug von Marie-Antoinette im Park – wurde zur Bühne der Sitzungen der Nationalversammlung, die besagten Flügel in Gänze requirierte. Und selbst im Herzen des Komplexes diente der Spiegelsaal eine Zeitlang als Schlafsaal für Abgeordnete, derweil das Privatgemach von Louis XVI den Parlamentspräsidenten beherbergte. Adolphe Thiers, der Chef der provisorischen Regierung, der wenig später den Titel „Président de la République“ erhielt, ließ sich seinerseits in der Präfektur nieder. Dort blieb er aus Angst vor Attentaten in der Hauptstadt, die „les Versaillais“ unter seiner Führung verheert hatten, bis 1873. Im selben Jahr fand im Lustschloss Grand Trianon der Prozess gegen den Marschall Bazaine statt, der 1870 ohne zu kämpfen vor den Preußen kapituliert hatte.


Gustave Janet: Der Spiegelsaal als Schlafsaal der Abgeordneten während der Kommune, 1871 (Bild: Musée Lambinet, Versailles)
Gustave Janet: Der Spiegelsaal als Schlafsaal der Abgeordneten während der Kommune, 1871 (Bild: Musée Lambinet, Versailles)

Wichtiger für das Anwesen war indes die Verabschiedung der drei verfassungsgebenden Gesetze 1875. Sie setzten der jahrelangen institutionellen Ungewissheit ein Ende. Mit der Schaffung eines Senats, der fortan gemeinsam mit dem seinerzeit „Abgeordnetenkammer“ („chambre des députés“) genannten Unterhaus den „Präsidenten der Republik“ wählte, und mit der Ablösung der monarchistischen Mehrheit des Parlaments durch eine republikanische 1876 war die Republik endlich verankert – auf Dauer. Viele Historiker sehen gleich François Furet im Jahr 1875 das Ende der 1789 eingeläuteten revolutionären Sequenz.


Der Senat bezog die ehemalige Königliche Oper; für die Abgeordnetenkammer wurde innert sechs Monaten im Südflügel des Palasts ein Innenhof mit einem Glasdach überbaut und zu einem (Amphi-)Theater im Stil besagter Oper gestaltet, Kolonnade inbegriffen. Die monarchistische Gesinnung der Mehrheit des Unterhauses von 1875 scheint hier in Details durch wie der Verwendung des Sonnensymbols von Louis XIV oder der Vermeidung des Kürzels „RF“ (für „République française“) zugunsten eines „einfachen“, aber verdoppelten „F“s. Über der Rednertribüne hängt die Kopie eines Gemäldes, das den selbstsprechenden Titel „Eröffnung der Generalstände in der Salle des Menus-Plaisirs in Versailles am 5. Mai 1789“ trägt.


Die Salle du Congrès mit ihrem bemalten Stuck, der Marmor aus dem Languedoc (rot), aus den Pyrenäen (grün) und aus Carrara (weiß) imitiert (Bild: Château de Versailles / D. Saulnier)
Die Salle du Congrès mit ihrem bemalten Stuck, der Marmor aus dem Languedoc (rot), aus den Pyrenäen (grün) und aus Carrara (weiß) imitiert (Bild: Château de Versailles / D. Saulnier)

Die Salle du Congrès ist seit Februar (und noch bis September) zu besichtigen, im Rahmen des Hundertfünfzigjahrjubiläums der endgültigen Etablierung der Republik. Eine benachbarte Enfilade von drei Salons trägt den Namen „Appartement du président du Congrès“ – „Kongress“ heißt heute die Vereinigung von Ober- und Unterhaus zu einem Körper, dem der Präsident (oder, wie heute, die Präsidentin) der Nationalversammlung vorsteht. In diesen Räumen finden sich gemalte, skulptierte und fotografierte Bildnisse der fünfzehn Präsidenten, die zwischen 1871 und 1954 im Palast von Versailles gewählt wurden. Schnurrbärtige Honoratioren, oft erst post mortem durch führende Salonkünstler verewigt. Aus der Masse ragen der leninköpfige Raymond Poincaré heraus und der 1932 ermordete Paul Doumer, dessen unvollendetes Porträt etwas Gespenstisches hat. Seit 1965 wird Frankreichs Staatsoberhaupt direkt durch das Volk gewählt. Doch der Kongress kommt auch in der 1958 begründeten Fünften Republik im Schnitt noch alle drei Jahre in Versailles zusammen, wenn es die Verfassung zu ändern gilt oder (seit 2008) einer Ansprache des Präsidenten zu lauschen.


Die drei Salons des Appartement du président du Congrès; in der Mitte eine Marmorbüste von Alexandre Millerand, der zwischen 1920 und 1924 amtierte, und zusammen mit Raymond Poincaré zu den frühesten, sehr aktiven Mitgliedern des Société des amis de Versailles zählte (Bild: Château de Versailles / D. Saulnier)
Die drei Salons des Appartement du président du Congrès; in der Mitte eine Marmorbüste von Alexandre Millerand, der zwischen 1920 und 1924 amtierte, und zusammen mit Raymond Poincaré zu den frühesten, sehr aktiven Mitgliedern des Société des amis de Versailles zählte (Bild: Château de Versailles / D. Saulnier)

Seit 1789 hatte kein Staatoberhaupt mehr in Versailles gelebt – das änderte De Gaulle. Der Gründer der Fünften Republik erkor um 1960 den oben erwähnten Grand Trianon zur Residenz. Keine offizielle „résidence présidentielle“, wie das Schloss von Rambouillet oder die Festung von Brégançon, aber ein Ort fern der Pariser Unruhe, der Muße bot für den Empfang ausgewählter Gäste. So wurde der Nordflügel des Lustschlosses, den die Schwägerin des Sonnenkönigs, die bedeutende Briefeschreiberin Liselotte von der Pfalz, wegen seiner Aussicht auf ein Wäldchen „Trianon-sous-Bois“ getauft hatte, umgewandelt in eine Mischung aus Neo-Empire-Repräsentationsbüro (im Erdgeschoss) und Neo-Louis-XVI-Wochenendheim (im oberen Stockwerk).


Pierre-Denis Martin: Promenade von Louis XV als Kind vor dem Grand Trianon, 1724. Trianon-sous-Bois ist der Flügel rechts hinten. (Bild: Wikipedia)
Pierre-Denis Martin: Promenade von Louis XV als Kind vor dem Grand Trianon, 1724. Trianon-sous-Bois ist der Flügel rechts hinten. (Bild: Wikipedia)
Die Vortreppe von Trianon-sous-Bois, an dessen Fuß einst ein präsidentieller Citroën DS de Gaulle abzusetzen pflegte (Bild: Wikipedia)
Die Vortreppe von Trianon-sous-Bois, an dessen Fuß einst ein präsidentieller Citroën DS de Gaulle abzusetzen pflegte (Bild: Wikipedia)
Das schmiedeeiserne Geländer ist – wie so vieles in Versailles – von einem Raffinement sondergleichen. (Bild: zit.)
Das schmiedeeiserne Geländer ist – wie so vieles in Versailles – von einem Raffinement sondergleichen. (Bild: zit.)

Auch diesen Ort kann man seit kurzem besichtigen. Es ist noch alles wie bei der Einweihung 1966: Die Bakelittelefone auf den Schreibtischen der Adjutanten, das „Trianon“-Porzellanservice aus Sèvres auf dem für sechs gedeckten Speisetisch, die gewaltige, 800 Quadratmeter große Küche im gewölbten Untergeschoss mit ihren Herden für Hundertschaften und ihrem Schaltbrett, das Aufschriften trägt wie „Pâtisserie“ und „Caféterie“. Im offiziellen Zwecken dienenden Erdgeschoss hatte der Dekorateur Serge Royaux seinerzeit Originalmöbel im Empirestil arrangiert und zum Teil auch adaptiert – ein Bänkchen wurde so zum niederen Tisch, eine Vase zur Lampe. Von zeittypischem Reiz sind Farbkombinationen wie Chrysolithgrün und Nachthimmelblau im Wartesalon oder Senfgelb und Ochsenblutrot im Büro des zweiten Adjutanten. Derlei Farbkombinationen verweisen indes – auch – auf die historischen, hauptsächlich aus der Zeit Napoleons stammenden Interieurs im Südflügel mit ihren zum Teil atemraubenden chromatischen Verbindungen wie jener von Gelbgold mit Fuchsienrot und Malachitgrün. Das private Obergeschoss wirkt demgegenüber ländlicher, mit seinen bedruckten Kattunstoffen und seinen molligen Teppichen auf Parkettböden, evoziert in zwei mit Maserholz furnierten und mit Elfenbeingriffen versehenen Badezimmern aber auch die Kabinen von Luxuskreuzern.


Der Wartesalon (Bild: Château de Versailles / T. Garnier)
Der Wartesalon (Bild: Château de Versailles / T. Garnier)
Ein originales Rufdispositiv (Bild: zit.)
Ein originales Rufdispositiv (Bild: zit.)
Der Speisesaal (Bild: Château de Versailles / T. Garnier)
Der Speisesaal (Bild: Château de Versailles / T. Garnier)
Das Schlafzimmer des Präsidentenpaars im Obergeschoss – das Bett musste wegen De Gaulles (Über-)Grösse von 1,96 Meter verlängert werden. (Bild: Château de Versailles / T. Garnier)
Das Schlafzimmer des Präsidentenpaars im Obergeschoss – das Bett musste wegen De Gaulles (Über-)Grösse von 1,96 Meter verlängert werden. (Bild: Château de Versailles / T. Garnier)
Hier wurde wohl Gemüse geputzt. (Bild: zit.)
Hier wurde wohl Gemüse geputzt. (Bild: zit.)

De Gaulle und seine Nachfolger – namentlich Valéry Giscard d’Estaing – empfingen hier Gäste wie Richard Nixon, Nicolae Ceaușescu, Leonid Breschnew, Elisabeth II., den Shah von Iran, Marschall Tito, Michail Gorbatschow und Xi Jinping. 1978 wurde Jimmy Carter mit einem „intimen“ Diner in Trianon-sous-Bois beehrt – immerhin 140 Gäste gaben sich da die Ehre –, gefolgt von einem Galaempfang mit 4000 Besuchern im Spiegelsaal des benachbarten Palasts. Den Höhepunkt bildete das G7-Gipfeltreffen von 1982, als Ronald Reagan, Helmut Schmidt, Margaret Thatcher und die Staatschefs von Italien, Japan und Kanada alle unter dem Dach des Lustschlosses nächtigten.


Die sieben Teilnehmer am G7-Gipfeltreffen von 1982 (zuzüglich zwei Vertreter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) in der marmornen Säulenhalle des Grand Trianon (Bild: flickr)
Die sieben Teilnehmer am G7-Gipfeltreffen von 1982 (zuzüglich zwei Vertreter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) in der marmornen Säulenhalle des Grand Trianon (Bild: flickr)

Der Konservator Pierre Verlet beklagte bereits 1961 in seiner nach wie vor maßstabsetzenden Monografie über das Anwesen, Versailles werde durch derlei „künstliche Unternehmen“ entehrt. Seitens von Kunstliebhabern wie von Museumsfreunden regte sich zunehmend Widerstand gegen den „Missbrauch“ des Anwesens – Versailles fungierte auf dem Programm aller Staatsbesuche zwischen 1950 und 1980. Die Argumente der Kritiker lauteten „Brandgefahr“, „mangelnder Unterhalt“ und „Zwang, das Museum kurzfristig schließen zu müssen“.


Heute haben sich Staatsbankette rar gemacht, haben Präsidenten und Premierminister ihren Wochenendsitz von Trianon-sous-Bois in den ungleich kleineren, privateren und kunsthistorisch weniger bedeutenden Pavillon de la Lanterne verlegt – und hat das Parlament, das einst im Palast wie in seinen Nebenbauten rund 25 000 (!) Quadratmeter an Büros, Wohnungen und Archivräumen besetzte, bis auf die Salle du Congrès und das dazugehörige Appartement 2005 alles geräumt. „Versailles und die Republik“ ist nunmehr ein Thema für Historiker wie Fabien Oppermann, Autor einer profunden Studie zum Thema. Und für conférenciers wie Fabrice Callet, die mit Witz und Wissen das republikanische Heute mit dem monarchistischen Gestern zu erden verstehen.

 

 


Verwendete Literatur:

Fabien Oppermann: Le Versailles des présidents : 150 ans de vie républicaine chez le Roi-Soleil. Fayard, Paris 2015. 148 S., Euro 20.-.

Pierre Verlet: Le Château de Versailles. Fayard, Paris 1985. 746 S., Euro 32.-.

François Furet: La Révolution, de Turgot à Jules Ferry, 1770-1880. Hachette, Paris 1991. 526 S., vergriffen.


Comments


Melden Sie sich an, um über neue Beiträge informiert zu werden

Danke für Ihre Anmeldung!

© 2022 für Leben wie zit. in Frankreich. Mit Wix.com geschaffen.

bottom of page